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Stellungnahmen

Alte Corona-Regelung verschärft Lehrermangel

Sehr geehrte Frau Ministerin Hamburg,

Vertreter des Stadtelternrats Oldenburg haben in der vergangenen Woche ein Gespräch mit drei leitenden Mitarbeitern des Regionalen Landesamtes für Schule und Bildung Osnabrück geführt.

Thema: sofortiges Beschäftigungsverbot von Lehrerinnen bei Schwangerschaft in der Coronazeit. 

Hintergrund: während in Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern (und sicher noch in weiteren Bundesländern?) bereits wieder die alten Regeln zum Mutterschutz vor der Coronazeit gelten und es dort kein sofortiges Beschäftigungsverbot mehr gibt, gilt in Niedersachsen nach wie vor ein sofortiges Beschäftigungsverbot für Lehrerinnen an Grundschulen. 

Ist-Situation:

Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück sieht sich dabei an einen Ratgeber der niedersächsischen Gewerbeaufsicht gebunden, nach dessen Vorgaben die Schulleiter handeln müssten. Aus Sorge, dass sich Lehrerinnen in Schulen mit Corona infizieren könnten, werden die Schulleiter aufgefordert, ihre Mitarbeiterinnen sofort in ein zunächst vorläufiges Beschäftigungsverbot zu schicken, wenn eine Schwangerschaft vorliegt. Das heißt, bevor überhaupt die konkrete Gefährdung geprüft wird, wirkt sofort mit Bekanntwerden der Schwangerschaft ein vorläufiges Beschäftigungsverbot: Die Lehrerin ist von einem Tag auf den anderen weg! Aufgrund der an Grundschulen nicht zu erfüllenden Auflagen, wie z.B. dass sich die schwangere Lehrerin nicht länger als 10 Minuten mit anderen Personen in einem Raum aufhalten darf und zugleich ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen eingehalten werden muss, folgt nach dem vorläufigen Beschäftigungsverbot so gut wie immer ein volles Beschäftigungsverbot. Die für die Privatwirtschaft erdachten Regelungen sind eben nicht 1:1 auf den Schulbetrieb umsetzbar. Die grundsätzlich bei den Schulleitungen liegende Verantwortung für den Ausspruch des Beschäftigungsverbots besteht nur pro forma, weil die rigiden Vorgaben keinen Ermessensspielraum geben.

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend heißt es:

„Generell können Infektionserkrankungen bei Schwangeren anders verlaufen als bei Nicht-Schwangeren. Derzeit kann noch nicht zuverlässig eingeschätzt werden, ob Schwangere aufgrund der physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft eine erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, durch SARS-CoV-2 zu erkranken und inwieweit bei Erkrankungen mit schweren Verläufen zu rechnen ist.

Studien zeigen, dass Schwangere vergleichsweise seltener Symptome entwickeln. Eine begrenzte Anzahl an Studien aus anderen Ländern zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf mit Aufnahme auf eine Intensivstation und für eine invasive Beatmung möglicherweise höher ist.“

Von welchen Wahrscheinlichkeiten wird hier gesprochen? Dies wird leider nicht näher erläutert. Ist die Wahrscheinlichkeit auf dem Weg zur Schule zu verunfallen am Ende höher als schwer an Corona zu erkranken?

Die Gewerbeaufsicht beruft sich auf die Einschätzung des RKI, das Schwangere weiterhin zur Personengruppe zählt, bei der ein schwererer Krankheitsverlauf häufiger beobachtet wurde. Aber dazu zählt das RKI auch u.a. Diabetiker, Fettleibige und Menschen männlichen Geschlechts. Von einem Beschäftigungsverbot für Lehrkräfte, die an Diabetes erkrankt sind, hat man allerdings noch nichts gehört. 

In seinem Steckbrief zu den Risikogruppen verweist das RKI zudem auch auf ein Dokument “Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dies stammt allerdings aus dem Dezember 2021 und wurde seitdem nicht mehr aktualisiert. 

Es bleibt also die Frage, warum die niedersächsische Gewerbeaufsicht das Risiko für schwangere Lehrerinnen als so gravierend einschätzt, und nach wie vor auf ein sofortiges Berufsverbot für diese besteht, was zu Situationen führt, wie jüngst an der Grundschule in Wiefelstede (plötzlicher Ausfall von drei Lehrerinnen fast zeitgleich aufgrund von Schwangerschaft). Aber auch andere Schulen kämpfen um die Unterrichtsversorgung von Klassen, die durch das sofortige Beschäftigungsverbot beeinträchtigt sind/werden. 

Corona ist da und wird nicht wieder weg gehen. Es ist auch nicht nur in Schulen, es ist überall. Die Viruslast ist bei Kindern geringer als bei Erwachsenen. Die Isolationspflicht wurde in Niedersachsen aufgehoben, aber der Arbeitsplatz Schule wird nach wie vor zur Gefahrenzone und Kinder zu Virenschleudern erklärt. Wie lange wird die Regelung in Niedersachsen noch bleiben?

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns die Hintergründe für das immer noch bestehende sofortige Beschäftigungsverbot erläutern. Gleichzeitig bitten wir Sie zeitnah zu überprüfen, ob es aufgrund der Coronalage noch erforderlich ist. 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Stadtelternrat der Stadt Oldenburg

Der Vorstand